Am Wochenende kam mein ältester Freund Mathias zu Besuch. Wir hatten eine gute gemeinsame Zeit. Zeit für Erinnerungen, für Spaziergänge, gutes Essen, Blueskonzerte.
Dann der Tag der Abreise. Wir sprechen über gesellschaftliche Ausgaben für Kunst und Kultur.
Mein Standpunkt. Ausgaben und Förderungen sind endlich und der Staat kann es sich nicht leisten, jedermann/-frau zu fördern. „Vielleicht ist nicht jeder ein Künstler, welchen wir als Gemeinschaft finanzieren müssen. Vielleicht ist und bleibt es ein erfüllendes Hobby.“
Sein Standpunkt: Bei Kunst und Kultur darf die Wirtschaftlichkeit nicht im Vordergrund stehen. „Deine Argumente sind Argumente des Kultur-Faschismus.“
Es wird emotional. Es wird laut. Es wird verletzend.
Kennt ihr die Methode der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg.
Diese Methode kann helfen, Konflikte zu lösen und eine bessere Kommunikation aufzubauen. Sie basiert auf der Idee, dass unsere Sprache und Kommunikation oft gewalttätige Elemente enthalten, welche zu Missverständnissen und Konflikten führen können. Das Ziel der gewaltfreien Kommunikation ist es, die Kommunikation so zu gestalten, dass sie auf Wertschätzung, Verständnis und Empathie basiert.
So viel zu Theorie. Ich erinnerte mich an die vier Hauptkomponenten.
Beobachtung: Die erste Komponente besteht darin, neutral und objektiv zu beobachten, was tatsächlich geschieht, ohne Bewertungen oder Interpretationen hinzuzufügen. Es geht darum, eine klare Beschreibung der Situation zu geben, die für alle Beteiligten nachvollziehbar ist.
„Mathias ich beobachte, dass du beim Thema Finanzierung von Kunst und Kultur sehr empfindlich und persönlich reagierst.“
Gefühle: Die zweite Komponente bezieht sich auf die Identifizierung und Ausdruck der eigenen Gefühle. Es ist wichtig, ehrlich und authentisch zu sein, um zu erkennen, wie bestimmte Situationen oder Handlungen auf uns wirken und welche Gefühle dadurch ausgelöst werden.
„Mathias, deine heftige Reaktion hat mich überrascht. Deinen Vergleich des Kultur-Faschismus nehme ich sehr persönlich. Dein Vergleich hat mich sehr verletzt.“
Bedürfnisse: Die dritte Komponente besteht darin, die zugrunde liegenden Bedürfnisse zu identifizieren. Jeder Mensch hat grundlegende Bedürfnisse nach Sicherheit, Anerkennung, Zugehörigkeit, Autonomie usw. Indem wir uns bewusst machen, welche Bedürfnisse in einer bestimmten Situation betroffen sind, können wir unsere Kommunikation klarer und effektiver gestalten.
„Mathias, du bist Restaurator. Restauration dient dem Erhalt von Kulturgütern. Habe ich dich verletzt, weil du vermutest, dass ich die Bedeutung deiner Arbeit anzweifle, gar mit einem Hobby vergleiche?
Bitte: Die vierte Komponente beinhaltet das klare und respektvolle Ausdrücken von Wünschen oder Bitten, um die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Es ist wichtig, dabei keine Forderungen zu stellen, sondern die andere Person einzuladen, eine freiwillige Entscheidung zu treffen.
„Mathias, ich wünsche mir, dass es uns beiden gelingt, in Gesprächen die Sache von der Person zu trennen. Ich werde mich zukünftig bemühen.“
Diese Geschichte ist wahr.
Die souveräne Umsetzung der gewaltfreien Kommunikation war allerdings ein späterer Tagtraum. Mathias war bereits abgefahren. Wir hatten uns wieder beruhigt. Wir hatten in der Sache jedoch nichts geklärt.
Kennt du das? Nach einem Gespräch kommen die besten Argumente, die besten Vorsätze. Jetzt wäre die Chance, es besser zu machen. Jetzt wäre die Chance mit Abstand und „kühlem Kopf“ das Gespräch erneut zu suchen und Missverständnisse aufzulösen.
Wir machen dies zu selten … und verlieren vielleicht dadurch einen wertvollen Mitarbeiter:in, Kolleg:in, …
Meine Tochter und ihr Partner haben das Lebensmotto: „Wir wollen es besser machen.“
Ich will es auch besser machen und schicke Mathias diesen Artikel.
Epilog: Es ist wichtig zu beachten, dass die gewaltfreie Kommunikation ein Prozess ist, der Übung und Bewusstsein erfordert. Es kann einige Zeit dauern, um die GfK vollständig zu beherrschen und in verschiedenen Situationen anzuwenden. Viel Erfolg!
PS: Mathias hat den Artikel gelesen. Seine Antwort: „Danke!“