#5 Zukunftsfähigkeit durch Selbsterneuerung – Beispiel ASB EVA-Teams

Führung hat viele Aufgaben: Zusammenarbeit organisieren, Prozesskosten senken, Konflikte entscheiden, Mitarbeiter und Teams führen, …
und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern.

Kennst du noch Nixdorf, AEG, Grundig, Escom, Holzmann, Quelle, Karstadt, Telefunken, Märklin? Sie alle waren erfolgreiche Unternehmen, waren in ihrem Segment Marktführer.

Die Betonung liegt auf – waren!

Der Ursprung allen Scheiterns ist der Erfolg.

Klingt paradox. Ist es aber nicht. Der Erfolg der Vergangenheit wird häufig verklärt und zur Handlungsmaxime der Gegenwart erklärt. Die Organisation und ihre Strategie werden nicht mehr hinterfragt. Dies kann zur Erfolgsfalle werden und die Zukunftsfähigkeit deines Unternehmens gefährden.

Willkommen in der VUCA-Welt!

Die letzten Jahre haben allen Akteuren in der Pflege gezeigt: das Marktumfeld sowie die täglichen Herausforderungen verändern sich rasant. Viele sprechen von einer VUCA-Welt:

  • Volatility (Volatilität) wir spüren die steigende Dynamik und Geschwindigkeit von Veränderungen
  • Uncertainly (Unsicherheit) Unvorhersebares und Unvohersagbares entsteht aus dem Nichts und wir müssen darauf reagieren
  • Complexity (Komplexität) die Anzahl der Handlungsmöglichkeiten nimmt zu
  • Ambiguity (Mehrdeutigkeit) wir sind mit mehrdeutigen Rahmenbedingungen und Informationen konfrontiert.

In meinen Beratungen höre ich immer von Inhabern und Führungskräften: „Die Gegenwart stellt bereits genug Herausforderungen dar. Wann und warum sollte ich mich mit der Zukunft auseinandersetzen?“

Meine Antwort: „Damit du auch in der Zukunft erfolgreich bist!“

Wie können Unternehmen diese Führungsaufgabe meistern?

Hier meine Vorschläge:

  1. Erfolgsfalle erkennen: Du kennst sicher den Spruch von Albert Einstein „Man löst Probleme von Morgen nicht mit den Antworten von gestern.“ Eine Unternehmensstrategie, welche dich und dein Unternehmen heute erfolgreich macht, kann morgen bereits zum Misserfolg führen. An-Erkenne diese Möglichkeit des Scheiterns und sorgen vor!
  2. Signale & Chancen & Risiken erkennen: Kunden- und Mitarbeiterbedürfnisse ändern sich. Neue Marktteilnehmer verändern ganze Branchen. Neue Technologien schaffen neue Möglichkeiten der Differenzierung. Schaffe Strukturen, welche diese branchenfremden und brancheneigenen Signale und Trends kontinuierlich erfassen, z.B. durch einen jährliche Strategieentwicklungsprozess. Verändere deinen Blick in „Von der Zukunft her denken“.
  3. Unternehmens-Resilienz schaffen: Unvorhersehbares findet statt: Finanzkrise, Corona, Energiekrise, … Führung – du – muss das Unternehmen auf das Unvorhersehbare, das Unplanbare vorbereiten. Wie? Durch bewusste Störung der Routinen: Externe Berater, neue branchenfremde Mitarbeiter oder überschaubare „Schutzraumprojekte“ sind hier eine kalkulierbare Störung, welche ein „Weiter so“ in Frage stellen. Meistert das Unternehmen diese Unterbrechungen der Routine, kann Vertrauen in die Zukunft entwickelt werden.
  4. Reserven schaffen: Investitionen in die Zukunftsfähigkeit benötigen Ressourcen. Betrachte dein Unternehmen wie ein Projekt. Wird ein Projekt professionell geplant, werden Reserven für mögliche Unberechenbarkeiten „angespart“.

Zukunftsfähig in agilen Strukturen?

Vor einigen Tage hatte ich ein sympathisches und offenes Gespräch mit Frau Nicole Wöhler vom ASB Hamburg. Frau Wöhler arbeitet im Qualitätsmanagement und ist Projektleiterin für das Projekt ASB EVA-Teams. EVA steht für Eigen-Verantwortliches-Arbeiten.

Die Erwartungen sind hoch: Steigerung der Selbstwirksamkeit des Einzelnen, Verantwortung für konfliktträchtige Themen z.B. Dienstplanung/Einsatzplanung wird geteilt, höhere Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, geringerer Krankenstand.

Vincentz hat bereits mehrfach über dieses Projekt berichtet.

Das Projekt ist für mich ein Paradebeispiel wie die ASB-Führung stimmige Anstrengungen unternimmt, um zukunftsfähig zu bleiben. Hier meine Beobachtung.

  1. Markt-Signale erkennen: Das Unternehmen Buurzorg hat sich innerhalb weniger Jahre zum größten Non-Profit-Unternehmen in der mobilen Pflege Hollands entwickelt. 20% Marktanteil sprechen für sich. Das Konzept ist Kundenorientiert und modern: Selbstverantwortliche kleine Pflegekräfte-Teams, Einbeziehung von Familie und Nachbarschaft sowie aktive Unterstützung und Förderung der Selbstständigkeit der Patienten.
    Der ASB Hamburg wurde auf das Konzept aufmerksam und hat sich vor Ort über Details informiert. Die zentralen Fragen waren: Was kann man übernehmen, was muss neu-gedacht werden?
  2. „Schutzraumprojekt“ initiiert: ASB EVA-Teams erfüllt für mich die Kriterien eines typisches Schutzraumprojekt: Mutige Führungskräfte, eine Projektleiterin (Frau Wöhler), Begleitung durch Team-Coaches, laufende Reflexion, Ableitung von Lernpunkten und offene Entscheidung über den weiteren Ausbau des Konzeptes. Hierbei sind der Erfahrungsaustausch sowie alternative Lösungsansätze und Arbeitsweisen der teilnehmenden Teams ausdrücklich erwünscht.
  3. Reserven nutzen: Innovations-Projekte wie ASB EVA-Teams sind eine Langfristinvestition und bringen in der Startphase zumeist Ineffizienzen z.B. höhere Orga-Zeiten mit sich. Die Notwendigkeit der Balance zwischen Zukunftssicherung und kurzfristiger Renditeerwartung muss allen Beteiligten bewusst sein. Hier ist ein langer Atem notwendig. Dieser erfordert und „verbraucht“ zuvor erwirtschaftete Reserven.

Noch ist der langfristige Erfolg des Ursprungs-Konzeptes von ASB EVA-Teams nicht erbracht. Erste Erkenntnisse liegen jedoch vor:

  • Junge Mitarbeiter:innen können sich für das Konzept begeistern – Motivation: Selbstwirksamkeit
  • Ältere Mitarbeiter:innen können sich für das Konzept gleichmaßen begeistern – Motivation: Erfahrungen im Konzept „Gemeindeschwester“
  • Räumliche Nähe und „BWA-Selbständigkeit“ schaffen wirkliches Teamdenken und -handeln
  • Das Team definiert die eigenen „Spielregeln“ verantwortungsvoll
  • Starke zentrale Services u.a. Marketing und Abrechnung sichern den dezentralen Erfolg
  • Der Zusammenhalt zwischen den EVA-Teams und den Teams der Sozialstation muss aktiv moderiert werden

Heute, 15 Jahre nach Start des Pilotprojektes, bezweifelt keiner mehr den Erfolg von Buurzorg.

ASB EVA-Teams ist noch am Beginn. Ich wünsche dem ASB und den Teams um Frau Wöhler viel Erfolg.

Anderen Unternehmern wünsche ich, die Führungsaufgabe „Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern“ mit Mut und Entschlossenheit anzunehmen.